Des Abtes Reben
In Schernelz ob Ligerz
Auf dem Gebiet der heutigen Gemeinde Ligerz entstanden die frühesten menschlichen Siedlungen im Kanton Bern. Immer wieder finden sich bei Bauarbeiten Überreste steinzeitlicher Pfahlbauer, Kelten und Römer. Auch der Weinbau hat eine entsprechend lange Geschichte, beginnend mit der steinzeitlichen Kultivierung von Waldreben. Die Rebberge der Gemeinde Ligerz erstrecken sich direkt vom Seeufer bis hoch zu Felsen und Wald. Ein Höhenunterschied von über 120 Meter mit entsprechend anderen Bedingungen an Sonneneinstrahlung, Bewässerung, Luftfeuchtigkeit und Untergrund. Am obersten Rand und mit privilegierter Ausrichtung liegt der Clos à l’Abbé, der Weinberg des Abtes.
Zum ersten Mal schriftlich erwähnt wird dieser begehrte Weinberg im Jahr 1342 in einem Kaufbrief des zwischen Erlach und Le Landeron gelegenen Klosters St. Johannsen. Der Abt von Erlach schrieb 1383 über die Reben des Clos als «Clos Die». Es kann davon ausgegangen werden, dass schon damals die Qualität der Lage und der daraus gewonnenen Weine bekannt und begehrt war.
Wer sich Ligerz mit dem Schiff auf dem Seeweg nähert, sieht schon von Weitem die markante Kirche, und auch auf den meisten pittoresken Touristenfotos ist sie mit ihrem schmucken Aussehen zu einem Wahrzeichen der ganzen Weinbauregion geworden. Von der Kirche führt ein Fussweg steil hinauf zu einem anderen Wahrzeichen der Region, dem Weinberg Clos à l’Abbé.

Ein Clos bezeichnet in der Weinwelt einen durch eine durchgehende Mauer umfriedeten Weinberg – in diesem Falle den Weinberg des Abts, des Abbé. Heute befinden sich die Reben dieser Lage allerdings in Besitz einiger weniger Winzer.
Der Clos à l’Abbé liegt an der obersten Grenze der Weinberge, über 100 Meter oberhalb des Sees auf etwa 550 Höhenmetern. Hier ist es schon etwas kühler, was zu einer längeren und gleichmässigeren Vegetationsperiode führt als in den unteren Lagen. Den grossen Namen hat sich der Clos à l’Abbé durch den Chasselas gleichen Namens gemacht. Charles Steiner erkannte das grosse Potenzial des Terroir und begann dieses Jahr für Jahr seines Schaffens herauszuarbeiten. Um genauer zu sein, ist es eine ganz spezielle Parzelle, in der zwei Felsköpfe des Juras unterirdisch bis fast an die Oberfläche ragen. Die Reben haben hier besonders zu kämpfen und die Weine bekommen eine dichte, mineralische Struktur. Zusätzlich fliesst in der Tiefe eine kleine, aber stetige Quelle, welche auch in Hitzeperioden Trockenstress der Reben vermeidet.
«Den grossen Namen hat sich der Clos à l’Abbé durch den Chasselas gleichen Namens gemacht.»
Eine einzigartige Kombination also, welche die Produktion einzigartiger Weine erlaubt. Die Charakteristik des Chasselas aus dem Clos à l’Abbé ist jedes Jahr erkennbar. Jung ist er in der Nase immer sehr zurückhaltend und öffnet sich erst mit der Zeit, lässt aber dann schon seine Komplexität erahnen. Nach zwei bis drei Jahren entwickelt er sich dann immer mehr, blüht auf und wird intensiver. Liebhaber von Lagenweinen begeistern die Weine aus dieser Lage mit der ausdrucksstarken Kühle und Mineralik. Auch wenn sich der Clos à l’Abbé schon kurz nach der Abfüllung mit etwas Zeit in der Karaffe geniessen lässt, richtig belohnt wird indes nur, wer sich ein paar Jahre gedulden kann.
Andreas Krebs trinkt ihn am liebsten nach acht bis zehn Jahren. Dann sind die Reifearomen schön entwickelt, Pfirsichhaut, Gewürze und Heublumen strömen in die Nase, Frucht und Säure sind noch präsent. Sabine Steiner mag es zwar auch reif, aber dann doch etwas jünger: je nach Jahrgang nach fünf bis sechs Jahren in der Flasche, dann zeigen sich noch die Düfte nach reifer Karambole und Zitrufrüchten.