Ein spezielles Jahr, auch im Rebberg
Winzer Andreas Krebs über den Jahrgang 2020
Als wäre das Jahr 2020 nicht an sich sonst schon ein aussergewöhnliches, wird es am Bielersee auch sonst als ein ganz spezielles in Erinnerung bleiben. Eines so speziell wie 2003, welches bis heute Synonym für eine extreme Hitze steht. Nur dass es bei 2020 der geringe Ertrag sein wird, über den man reden wird. Doch beginnen wir am Anfang, im Frühjahr.
Während sich die restliche Schweiz im Lockdown wenigstens über perfektes Wetter für Spaziergänge freuen konnte, wunderten sich die Winzer im ganzen Land über einen ungewöhnlich frühen Austrieb. Auch am Bielersee waren die Reben ihrer normalen Entwicklung Wochen voraus. Bereits im Mai mussten die jungen Reben bewässert werden, sonst hätten sie die Trockenheit kaum überlebt. Der Boden war trocken und pickelhart.
Dann kam der Kälteeinbruch Anfang Juni und traf mit seinen 8 bis 10 Grad Nachttemperatur die noch empfindlichen Blüten mit voller Härte. Damit nicht genug, zog auch noch Hagel über weite Gebiete der Bielersee-Weinberge. So war schon früh klar, dass durchschnittlich mindestens ein Viertel der normalen Erntemenge verloren war.
Doch mit Durchschnittswerten kommt man nicht weit bei der Betrachtung des Jahrgangs 2020. Zu unterschiedlich sind Lagen und Rebsorten betroffen. Besonders hart traf es die kleinbeerigen Sorten wie die Burgunderklone beim Pinot Noir, während grossbeerige Sorten in tieferen Lagen eher mit einem blauen Auge davonzukommen schienen.
Der Spätsommer verlief scheinbar normal und eine früh einsetzende Bise sorgte mit ihrer trocknenden Wirkung dafür, dass sich Pflanzenkrankheiten nicht gross einstellen konnten. Die scheinbare Beruhigung dieses Rebjahrs fand Ende August jedoch ein jähes Ende. Bei der Lese der ersten Trauben für Schaumwein und den regelmässigen Kontrollen bei sommerlichen Temperaturen stellte man fest, dass die Zuckerwerte täglich in die Höhe schnellten – nichts, was sich qualitätsbewusste Winzer in erster Linie wünschen.
«Freunde und Sammler der rareren Weine werden sich sputen müssen, um ein paar der wenigen Flaschen zu ergattern.»
Wer rechtzeitig reagierte und sofort mit der Lese begann, konnte zwar wenig, dafür qualitativ ansprechendes Lesegut ernten. Die Trauben für Steiner, Krebs und Gromann waren bereits Mitte September fertig gelesen.
Wie eigentlich fast immer waren es die grossen Terroirs, die in schwierigen Jahren trotzdem grosse Weine hervorzubringen vermochten. So zeigen sich ein halbes Jahr später die Weine vielversprechend. Wie sie sich genau entwickeln werden, ist wie immer noch schwierig vorauszusagen. Doch eines ist heute schon sicher: Freunde und Sammler der rareren Weine werden sich sputen müssen, um ein paar der wenigen Flaschen zu ergattern. Denn bis zu 40 Prozent weniger als normal wird es wohl davon geben.
Abseits der Lagenweine kommen diesen Frühling gerade die Gutsweine des Jahrgangs 2020 auf den Markt. Auch hier gibt es wenig, dafür einiges zu entdecken. Die Sauvignons Blancs sind frisch und bereits jetzt schön zu trinken. Die Pinots Gris sind aromatisch und charmant. Die Chasselas werden frühen Genuss bieten. Nur der Lagenchasselas Clos à l’Abbé wird, wie immer, die Vorteile seines Terroirs zeigen und hat ein gutes Lagerpotenzial.